Im neuen Jahr wird die Zeitung in Riedlingen ihr 300-jähriges Bestehen feiern – und immerhin ein Sechstel dieser Zeit hat Klaus Weiss aktiv mitgestaltet. Vor 50 Jahren schoss der 69-jährige Fotograf sein erstes Pressebild: das Buchauer Bähnle bei einer seiner letzten Fahrten. Und viele, viele weitere Bilder sollten folgen.
In weißen Dampf gehüllt steht sie am Bahnhof, dunkler Rauch quillt aus dem Schornstein. Fast scheint es so, als sei auch ihr typisches Pusten, Schnaufen und Schmauchen zu hören, wenn man die Schwarz-Weiß-Fotografie des Buchauer Bähnles betrachtet. Aufgenommen hat sie Klaus Weiss im Jahre 1968 – sein erstes Bild, das in der Schwäbischen Zeitung veröffentlicht wurde.
Politische Ereignisse genauso wichtig wie menschliche Geschichten
Ob Feuerwehreinsätze, spektakuläre Baustellen, Märkte oder verkaufsoffene Sonntage, Fasnet, Adelindisfest oder Federsee-Halbmarathon, wichtige politische, kirchliche und gesellschaftliche Ereignisse genauso wie menschliche Geschichten: Seit einem halben Jahrhundert begleitet Klaus Weiss mit seiner Kamera das Geschehen in seiner Heimatstadt Bad Buchau und dem Federseeraum – aufmerksam, aber nicht aufdringlich, mit geschultem Blick und sicherer Hand, zielstrebig, einfühlsam, dezent im Hintergrund, aber immer mit einem flotten Spruch auf den Lippen.
Wie er eigentlich dazu gekommen ist, weiß Klaus Weiss selbst nicht mehr. Nur eines: Obwohl schon sein Vater leidenschaftlicher Fotograf war und sich als einer der Ersten in Buchau in den 1920er-Jahren eine Kamera zugelegt hat, sei ihm das Fotografieren nicht in die Wiege gelegt worden. „Wenn mein Vater früher mit den Lampen zur Beleuchtung ankam, dann sind wir Buben immer geflüchtet“, erzählt der 69-Jährige lachend. Denn dann hieß es für die lebhaften Brüder stillstehen, brav sein, nicht bewegen, bis der Papa das Foto im Kasten hatte.
"Ich war schon damals immer dabei, wenn irgendwo etwas los war.“ Klaus Weiss
Irgendwie muss die Passion aber doch abgefärbt haben. Seine ersten Gehversuche als Fotograf unternahm der Buchauer dann zwar nicht mit den Fotoapparaten seines Vaters, denn „das waren seine Heiligtümer“. Dafür hatte der junge Klaus Weiss irgendwo eine Kodak-Instamatic gewonnen, eine alte Kassettenkamera, mit der er dann zu experimentieren begann. Und: „Ich war schon damals immer dabei, wenn irgendwo etwas los war“, blickt der Fotograf zurück.
So kam es, dass der 19-jährige und seine Kamera an einem schönen Tag im Jahre 1969 auf dem Bähnle Richtung Schussenried mitfuhren – im Güterwaggon, wo der junge Mann durch die offene Tür fotografierte. „Und heimwärts bin ich sogar in der Lok mitgefahren“, erinnert sich Weiss.
Kurz darauf bot er das Foto dem verstorbenen Buchauer Verleger August Sandmaier senior an. „Das war ein ganz umgänglicher Mensch. Er hat sich das Bild angeschaut und meinte dann: „Lass mal da“ – und ein paar Tage später erschien das Foto dann in der Schwäbischen Zeitung.
Verleger Sandmaier lernte rasch den zuverlässigen Fotografen schätzen. Und: Weiss lieferte schnell, weil er sich das Entwickeln der Bilder selbst angeeignet hatte. Wobei: schnell, damit verband man seinerzeit noch etwas anderes als heute. „Zwei Stunden hat damals das Entwickeln gedauert“, erklärt Weiss: Chemie ansetzen, den Film im Dunkeln ins Fixierbad legen, dann unter fließendem Wasser wässern, trocken – und damit war erst das Negativ fertiggestellt, für die eigentliche Fotografie wiederholte sich die Prozedur.
Halbe Nächte im Fotolabor verbracht
„Wenn’s pressierte, hat man mit dem Föhn getrocknet“, erzählt Weiss und erinnert sich lachend daran, wie dann meist in diesem Moment das Telefon geklingelt habe. Am anderen Ende der Senior-Verleger, der sich ungeduldig nach seinem Bild erkundigte. Redaktionsschluss war damals um halb zehn – morgens, wohl gemerkt. Die Fotografien von „kwe“ erschienen also meist erst am übernächsten Tag und dann in der Regel einspaltig, das war damals so üblich.
Halbe Nächte verbrachte der gelernte Bauzeichner in dieser Zeit im Fotolabor. Während der Fasnet kam er spätabends von den Bällen zurück, mit jeder Menge Bildern. Bis sie entwickelt waren, wurde es oft halb drei. Und wenn Weiss Pech hatte, rief dann noch die Feuerwehr oder die Polizei an, um den Fotografen zu einem Einsatz zu rufen.
„Ich habe bei einem Einsatz freie Hand. Aber ich gehe natürlich nicht rein, wenn’s gefährlich wird.“ Klaus Weiss
In den 70er-Jahren hatte Weiss angefangen, für die Feuerwehr zu fotografieren. Irgendwann stattete ihn der Kommandant dann auch mit einem Piepser aus, das war einfacher. Heute verfügt Weiss über eine komplette Feuerwehrausrüstung, ist praktisch 24 Stunden in Einsatzbereitschaft und bei der Buchauer Wehr nicht mehr wegzudenken. „Ich habe bei einem Einsatz freie Hand. Aber ich gehe natürlich nicht rein, wenn’s gefährlich wird.“ Ein besonderes Vertrauensverhältnis, das er sich über all die Jahre erarbeitete – und niemals missbrauchen würde.
Wie die Einsatzkräfte auch ist der Fotograf bei dieser Arbeit aber immer wieder mit schrecklichen Ereignissen konfrontiert. „Manchmal habe ich schon kräftig schlucken müssen“, räumt Weiss ein. In Bad Buchau kennt man sich. Wenn dann junge Leute aus dem Ort bei einem schlimmen Unfall tödlich verunglücken oder Feuerwehrleute mit einem leblosen, kleinen Bündel Mensch auf dem Arm aus einem Brandhaus kommen, dann geht das besonders nahe.
In den vergangenen 50 Jahren gab es aber freilich auch viele schöne, aufregende, besondere Momente. Viele prominente Persönlichkeiten hatte Weiss schon vor seiner Linse: mit Späth, Teufel, Oettinger, Kretschmann die ganze Ministerpräsidentenriege oder etwa den Rottenburger Bischof Georg Moser, mit dem er zusammen mit Pfarrer Scheffold ein Viertele getrunken hat. Auch die eine oder andere lustige Anekdote kann der Pressefotograf berichten. Dass er beim Fischerstechen einmal mitsamt seiner Fotoausrüstung im Wasser landete, habe er sich lange Zeit anhören müssen, wann immer er nach Oggelshausen kam.
100 000 Fotografien hat Weiss, der zunächst im Buchauer Fotogeschäft Hofherr aushalf und ab 1988 den Laden übernommen hat, in seinem Archiv gesammelt – und er weiß genau, wo er welches Bild findet. Seit der Umstellung auf Digitalfotografie steht Weiss nicht mehr im Fotolabor, sondern sitzt am Schreibtisch, um auch Artikel für die Schwäbische Zeitung zu verfassen.
Freizeit ist viel zu knapp bemessen
Nur privat, in seiner – wohl zum Leidwesen seiner Frau – viel zu knapp bemessenen Freizeit, da ist Weiss selten mit einer seiner Kameras anzutreffen. Dann kann er auch einfach den Augenblick genießen, ohne gleich auf den Auslöser zu drücken. Dennoch sagt er über seine 50 Jahre bei der Schwäbischen Zeitung: „Ich hab’s immer gern gemacht – ohne würde mir etwas fehlen.“ Und das bleibt hoffentlich noch viele Jahre so.
Kommentar Kdt. Merz: Lieber Klaus, wir sind Stolz, dass du einer von uns bist und uns schon Jahrzentelang positiv in der Schwäbischen Zeitung darstellst. Ohne Dich wäre unsere Öffentlichkeitsarbeit, nicht das was diese durch Dich ist. Persönlich und im Namen der gesamten Feuerwehr Bad Buchau möchten wir dir D A N K E sagen. |
Bericht: Annette Grüninger
Bild: Michael Briem